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Hotel Victoria

Pionier der Tourismusgeschichte

„Das Hotel Victoria gehört aufgrund seiner Pionierrolle bei der Bebauung des Hirschmattquartiers, seiner aufwendigen Fassadengestaltung, seiner Lage und Grösse zu den wichtigsten Zeugen der Luzerner Tourismusgeschichte.“ Dies schreibt Peter Omachen in seinem Standardwerk über die Hotelgeschichte in Luzern („Luzern – eine Touristenstadt“, 2010). Tatsächlich gehörte das Hotel Victoria zu den frühen Hotelbauten in Luzern; nach dem Hotel Gotthard war es auf der Neustadtseite erst das zweite Hotel, das in dieser mondänen Art auf die vermögenden Touristen aus England und Deutschland abzielte.

Es schloss an die Begeisterung an, die Queen Victoria mit ihrem vierwöchigen Besuch in der Pension Wallis auf der Gütschhöhe ausgelöst hatte. 1868 war sie durch die Schweiz gereist, bereits zwei Jahre später eröffnete auf dem Oberhochbühl die Pension Victoria, die 1896 in Pension Britannia umbenannt wurde (heute Oberhochbühl 18). Auch das Vögeligärtli erhielt einen touristischen Namen: Englischer Garten. Und an der Habsburgerstrasse 16 nannte sich der Nidwaldnerhof schon ein Jahr nach seiner Eröffnung, nämlich 1904, nicht mehr nur Nidwaldnerhof, sondern Hotel Nidwaldnerhof & Britannia (von 1907 bis 1992 dann allerdings Hotel Simplon).

Auf der anderen Seeseite hatte seit 1855 das Hotel Englischer Hof den Auftakt der Hotelmeile am Schweizerhofquai gebildet (Schweizerhofquai 1, 1981 ersetzt durch Gübelin-Neubau). 1903 ging der Englische Hof in Konkurs, worauf sich das Hotel Victoria den noblen Namenszusatz verschaffte. Es erwarb 1905 das Gasthausrecht und hiess nun Hotel Victoria & Englischer Hof.

Das Hotel Victoria auf einer Aufnahme zwischen 1893 und 1896: Bereits steht der Anbau an der Pilatusstrasse 20, doch noch fährt die Centralbahn auf den alten Gleisen. Mit seiner überkuppelten Eckschräge war das Hotel Victoria damals eines der markantesten Hotelgebäude in Luzern. Der Turmaufsatz auf dem Kuppeldach wurde im 20. Jahrhundert entfernt.

„Verrückte Welt – aber ein sehr schickes Hotel“, schrieb ein französischsprachiger Gast am 10. August 1908 auf dieser Postkarte. Er residierte offenbar im Turmzimmer. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Hotel Victoria auf seinem Höhepunkt. Es hatte bereits das Tavernenrecht des Englischen Hofs übernommen, der sich ursprünglich am Schweizerhofquai befand, und zählte rund 130 Betten.

Erbaut wurde das Hotel Victoria im Jahre 1890 von den Gebrüdern Keller. Sie bauten es auf eigene Rechnung  gegenüber dem Kellerhof an der Bahnlinie der Centralbahn. 1891 wurde der Backsteinpalast eröffnet. Mit seiner abgewinkelten Front und der Kuppel über der Eckschräge war er ein typischer Vertreter der damaligen Hotelarchitektur. 1893 erfolgte der Erweiterungsbau an der Pilatusstrasse 20, 1894 wurde das Hotel an Albert Riedweg verkauft. Dieser entstammte einer Hoteliersfamilie auf dem Menzberg.

Das Hotel Victoria erlebte seine Blüte nach der Jahrhundertwende. 1906 erhielt es einen Saalanbau, und 1907 war es nicht mehr in der Lage, alle Gäste unterzubringen. Es ersuchte die Stadt um Bewilligungen für die Nutzung von Privathäusern an der Pilatus-, Winkelried- und Hirschmattstrasse als Dependancen. Mit seinen 130 Betten zählte das Hotel Vicoria nicht zu den grössten Häusern der Stadt. Schweizerhof und Luzernerhof kamen auf 600 Betten, dahinter folgten das National mit 450 und das Du Lac mit 300 Betten, und auch das Europe mit 200 Betten sowie der Schwanen mit 180 Betten waren grösser als das Victoria.

Mit der Tourismusflaute des Ersten Weltkrieges geriet auch das Hotel Victoria in Schwierigkeiten. 1920 schloss es, 1921 meldete es den Konkurs an, der erst 1927 abgeschlossen wurde. In der Zwischenzeit war das Gebäude in ein Geschäfts- und Wohnhaus umgewandelt worden.

Erhalten blieb der Name, denn das Tavernenrecht ging an das Restaurant Viktoria an der Maihofstrasse 42 über. Dieses heisst heute Asian Village Victoria.

Die Aussenansicht des ehemaligen Hotels Victoria präsentiert sich noch heute in ihrem originalen Zustand – mit einer aufwendigen Fassadengestaltung, mit Sgraffiti auf der Höhe des fünften Stockwerks und mit kunstvollen schmiedeeisernen Balkonbrüstungen. Nicht mehr vorhanden ist der Turmaufsatz auf dem Kuppeldach. Veränderungen – vor allem im Sockelbereich der Fassade – erfuhr der Erweiterungsbau an der Pilatusstrasse 20 bei einem Umbau im Jahr 1988.


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